Mit dem Generationenwechsel gehen permanent Erfahrung und Wissen verloren. Ein Grund sind die Shifting Baselines (sich verschiebende Ausgangslinien). Der Begriff stammt ursprünglich aus der Fischerei und beschrieb damit die Tatsache, dass jüngere Fischer nur die aktuelle Fangsituation kennen und es dementsprechend für normal halten, mit ihrem Boot weite Fangreisen über mehrere Tage und Wochen zu unternehmen, während ältere Fischer noch die Zustände vor Jahrzehnten mit einem wesentlich reichhaltigeren Angebot und Fischen und kurzen Tagesfangtouren kennen. Durch die Gewöhnung an permanente Verluste regt sich bei den meisten kaum Widerstand. Wer diese Verluste länger und öfter wahrnimmt und ertragen muss, wird schon aus Selbstschutz abgestumpfter. Wer den ersten Wald hat fallen sehen, beginnt sich beim Fällen des zweiten an die Zerstörung zu gewöhnen und wird sich beim fünften abgeholzten Wald nicht mehr allzu groß aufregen: Er hat gelernt, mit den Verlusten zu leben. Und für die nächsten Generationen stand an dieser Stelle nie Wald. Hier war schon immer der Baumarkt, das Gewerbegebiet, die Autobahn, das Kraftwerk, der Flugplatz, das Photovoltaikfeld. Wer will da noch Widerstand leisten gegen die Normalität des industriellen Faktischen?
Dazu kommt die ernüchternde Einsicht, dass die Widerständler später oft genug auf der Seite der Mächtigen landen. Oder wie John le Carré in „Der Nachtportier“ schrieb: „Die Guerillas von heute sind die Bonzen von morgen.“
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